Immer wieder treffen interessierte Personaler in HR-Blogs und einschlägigen Fachportalen auf einen Begriff, der in der Kommunikationsbranche längst seinen Platz gefunden hat, im Personalmarketing aber noch nicht ganz so geläufig ist – Storytelling. Aber was verbirgt sich hinter dem schillernden Begriff? Wir haben zu diesem Thema mit dem Kommunikationsberater Marcus Pontzen gesprochen.
Herr Pontzen, die Kommunikations- und Marketingbranche ist ja einigermaßen erfinderisch, wenn es darum geht, neue Begriffe und Konzepte zu etablieren.
Das ist wohl richtig. Ehrlicherweise muss man sagen, dass sich nicht hinter jedem hoch gehandelten Begriff gleich etwas bahnbrechend Neues verbirgt. Manchmal ist es aber durchaus gewinnbringend, wenn man Bestehendes in ganz neuen Zusammenhängen denkt. Grundsätzlich lohnt es sich auch immer genau nachzufragen, was jemand meint, wenn er einen bestimmten Terminus benutzt.
Was verbirgt sich denn nun hinter dem Begriff des Storytellings?
Beim Storytelling geht es im ursprünglichen Sinne des Wortes zunächst um nichts anderes, als um das Erzählen von Geschichten. Also um das, was Menschen schon immer gemacht haben, ob in der Steinzeit am Lagerfeuer, bei den alten Ägyptern oder im antiken Griechenland. Das Publikum soll unterhalten werden – oftmals allerdings auch nur vordergründig, gewissermaßen als Mittel zum Zweck, um Erfahrungen zu teilen, Wissen weiterzugeben oder Werte zu vermitteln. Unternehmen machen sich genau diese Funktion zunutze.
Warum lässt man denn nicht einfach Zahlen, Daten und Fakten sprechen?
Weil Geschichten bewegen und erinnert werden – zumindest dann, wenn sie gut, d.h. möglichst bildhaft erzählt sind. Sie wecken Interesse, emotionalisieren und schaffen ein höheres Involvement bei den Adressaten. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Botschaften überhaupt wahrgenommen und schließlich auch einstellungs- beziehungsweise verhaltenswirksam werden.
Welchen Wert kann das Konzept denn für das Personalmarketing haben?
Nun, die Zeiten, in denen sich Personaler aus einem großen Pool an geeigneten Bewerbern einfach die Besten heraussuchen konnten, sind ja offensichtlich vorbei. Zumindest ist es ja heute schon für viele Unternehmen eine echte Herausforderung, ihren Bedarf an qualifiziertem Personal zu decken. Sie stehen in einem Wettbewerb um die besten Köpfe, der sich tendenziell ja noch verschärfen wird. Ihr Ziel muss es deshalb sein, sich wettbewerbsdifferenzierend zu positionieren. Sie müssen ihr Profil stärken, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Storytelling kann hier im Rahmen des Personalmarketings und der arbeitsmarktgerichteten Kommunikation durchaus einen wertvollen Beitrag leisten.
An welchen Stellen müssen solche Geschichten ansetzen?
Es wäre sicher einigermaßen blauäugig und fahrlässig, sich mit kreativem Eifer den Geschichten zu widmen, bevor man sich nicht im Rahmen des Employer Branding grundlegend mit der eigenen Arbeitgeberpersönlichkeit auseinandergesetzt hat. Denn ansonsten besteht die Gefahr, dass man am Ende vielleicht schöne Geschichten entwickelt hat, die mit der Realität, das heißt mit dem Arbeitgebermarkenkern nur wenig zu tun haben.
Damit würde man sich unglaubwürdig machen?
Ganz genau und zwar nicht nur bei potenziellen Mitarbeitern, sondern auch gegenüber der eigenen Belegschaft. Identifikation und Bindung schafft man damit gewiss nicht. Zudem verliert ein Unternehmen auf diese Weise auch die eigenen Mitarbeiter als Botschafter der Arbeitgebermarke. Im Zweifel werden sie sogar selber als Kommunikatoren aktiv und thematisieren die offensichtliche Diskrepanz zwischen Story und Realität in den Sozialen Medien. Das wäre dann der Worst Case. Storytelling wird dann zum Bumerang.
Wodurch zeichnen sich denn gute Arbeitgeber-Geschichten aus?
Im Kern sollte vor allem transportiert werden, was das Arbeiten in dem jeweiligen Unternehmen so reizvoll, spannend, vielleicht sogar faszinierend macht. Welcher Spirit herrscht im Unternehmen und wie wird gearbeitet? Darüber hinaus muss aber auch deutlich werden, welchen Typ von Mitarbeiter man eigentlich für sich gewinnen beziehungsweise ansprechen möchte. Ganz allgemein gesagt ist die Geschichte dann gut, wenn ein passender Kandidat – sei es ein Nachwuchsingenieur oder IT-Spezialist – am Ende des Tages sagt: „Was für ein tolles Unternehmen, dort möchte ich arbeiten.“
Wie sieht Storytelling denn ganz praktisch aus, welche Formate werden hier genutzt?
Das Video dürfte in diesem Kontext heute wohl immer noch das am weitesten verbreitete Format sein. Im Online-Journalismus wurden in der Vergangenheit allerdings auch neue Darstellungsformen entwickelt, die viel kreativen Spielraum für ein multimediales Employer Storytelling bieten. Hier lohnt es sich in jedem Fall, einmal genauer hinzuschauen.
Zur Person
Marcus Pontzen arbeitet als freier Kommunikationsberater, Projektmanager und Redakteur für Unternehmen und nicht erwerbswirtschaftlich tätige Organisationen. Er ist Partner im Düsseldorfer Beratungsnetzwerk westwerk3.