Anschreiben war gestern

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Für nicht wenige ist es immer noch ein unverzichtbarer Bestandteil und eine Art Königsdisziplin der Bewerbung – das Anschreiben. Seitenweise ist in einschlägigen Ratgebern auch nachzulesen, worauf es denn in einem wirklich überzeugenden Text ankommt. Möglichst individuell sollte es schon sein und natürlich muss er die persönliche Motivation und ganz besondere Eignung des Bewerbers für die ausgeschriebene Position transportieren. Wie formuliere ich einen geschmeidigen Einstiegssatz, wie werde ich den inhaltlichen Anforderungen gerecht, ohne ins Floskelhafte zu verfallen und wie verschaffe ich mir mit pfiffigen Formulierungen gegenüber anderen Mitbewerbern einen möglicherweise entscheidenden Vorsprung? Derart bedeutungsvoll daher kommend, stellt sich die geforderte Kreativleistung für viele Berufsein- oder -umsteiger als wahre Herkulesaufgabe dar. Der Informationsgehalt der meisten, nach allen Regeln der Ratgeberkunst geschliffenen Anschreiben dürfte allerdings überschaubar sein. Und manchmal endet das Bemühen um den ganz großen redaktionellen Wurf auch unfreiwillig komisch.

Aussagekraft fraglich

Ob Deutsche Bahn, Lufthansa, Henkel oder Rossmann – dass eine ganze Reihe von Unternehmen heute schon auf Bewerbungsschreiben verzichtet, scheint da nur konsequent. So gab in einer 2017 veröffentlichten Studie auch knapp die Hälfte der befragten Personalentscheider an, Anschreiben nicht besonders aussagekräftig zu finden. Es geht aber nicht nur um den fragwürdigen informationellen Mehrwert, sondern auch darum, vielversprechende Kandidaten mit einer mehr oder weniger aufwendigen Texterstellung nicht von vorneherein zu vergraulen. Man will es dem Bewerber so einfach wie möglich machen. So wie beim Hamburger Versandunternehmen Otto, bei dem das einst obligatorische Bewerbungsschreiben genau vor diesem Hintergrund schon seit einiger Zeit ausgedient hat. Die Entwicklung weg vom klassischen Bewerbungsschreiben ist mithin auch eine Folge der veränderten Vorzeichen am Arbeitsmarkt, sprich des verschärften Wettbewerbs um die besten Köpfe.

Nicht mehr zeitgemäß

Angesichts der zunehmenden Digitalisierung und Dynamisierung des Recruiting-Prozesses erscheint das Bewerbungsschreiben ohnehin als eine Art Anachronismus. Wenn Unternehmen Social Media zur Direktansprache von hoffnungsvollen Kandidaten nutzen, wenn als erster Bewerbungsschritt ein Verweis auf das Xing- oder LinkedIn-Profil ausreicht oder Online-Formulare eine Bewerbung im Vorbeigehen ermöglichen, ist die Zeit der fließtextlastigen Motivationsschreiben wohl vorbei. Die Zeichen stehen auf schnell, unkompliziert und smart. Wie das aussehen kann, zeigt truffls, eine auf das Matching spezialisierte Mobile Recruiting-Plattform. Hier wird nicht mehr großartig geschrieben und getextet, hier wird geswipped. Der Stellensuchende legt sein Profil an und bekommt via App passende Jobangebote angemeldeter Unternehmen vorgeschlagen. Sind die interessiert, reicht ein Wischen (Swipe) über das Display des Handys und der Initialkontakt ist hergestellt. Wenn es passt, kann der Recruiter über die App in den Dialog eintreten. Einfacher geht es nun wirklich nicht.

Eine große Mehrheit stellensuchender oder wechselwilliger Fachkräfte dürfte die Entwicklung hin zur Vereinfachung begrüßen. Kandidaten aber, deren Profil nicht in allen Punkten den ausgeschriebenen Kriterien entspricht oder begabte Quereinstiegswillige mit fehlenden Formalqualifikationen, haben grundsätzlich einen erhöhten Erklärungsbedarf. Sie müssen initiativ werden und Wege finden, ihre Motivation und Eignung direkt zu adressieren – wie auch immer.

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